Die typischen Kirchen der Jesuitenmissionen der Guaranís in Chiquitos und Mojos hatten keine hoch aufragenden Fassaden, keine von weitem erkennbare Silhouette, sondern sie erstreckten sich geradezu unter einem enormen Satteldach und hinter einer schattigen Vorhalle.
Hinter diesem Formtypus steht eine allmähliche Entwicklung: Ausgehend von einer ersten Kapelle, vollzog sich eine sukzessive Annäherung an die Erfordernisse der katholischen Liturgie und die Regeln der europäischen Architektur.
Ungewöhnlich war auch der Innenraum: ein geräumiges Kirchenschiff mit zwei Reihen schlanker Holzsäulen und einer offen sichtbaren Dachkonstruktion, fast wie in einer grossen, dreischiffigen Scheune, doch reich mit Schnitzereien und Malereien dekoriert.
Einzigartig an diesen Kirchen war, dass die Holzstützen nicht – wie in Europa üblich – auf gemauerten Fundamenten standen, sondern im Erdboden eingegraben und verankert wurden. Zuerst hat man die tragenden Holzstützen und das Dach aufgerichtet, erst danach mauerte man die nicht tragenden Wände aus Lehmziegeln (Adobe) oder Bruchsteinen mit Lehm. Um diese Mauern vor Regen zu schützen, war die Kirche allseitig von Vorhallen und Laubengängen umgeben.
Die allermeisten Missionskirchen in den bewaldeten Tieflandgebieten entsprachen der Bauweise mit Holzskelett. Allerdings sind regionale Unterschiede festzustellen.
In den Guarani-Missionen Paraguays gab es zum Teil sehr hohe und komplexe Bauten mit Holzgewölben, Querschiff und Vierungskuppel und einer überaus prächtigen Ausstattung.
In Chiquitos (Bolivien) dagegen bemühte sich Martin Schmid SJ um eine materialgerechte Architektur und ging dabei von den Dimensionen der größten Baumstämme und den Grundmaßen der Lehmziegel aus. Seine Bauten waren schlicht, aber effektvoll dekoriert, mit „salomonisch“ gewundenen Säulen und mit Pilastern, Bögen und Gesimsen aus Adobe.
Um die Kirchen ausschmücken zu können, unterhielten die Reduktionen Werkstätten für Malereien und Schnitzereien aus Zedern-, Palisander- und anderen Edelhölzern.
In den Arbeiten treffen indigene Einflüsse auf europäische Modellformen. Mitunter wurden die Kunstwerke auch verkauft. Für die Aussendekoration der Kirchen wurden Steinfiguren verwendet.
P. Bernardo Rodriguez SJ war der erste Maler in den Reduktionen und brachte den Guarnaí seine Kunst bei. Weitere große Maler waren Giuseppe BRassanelli, Louis Berger und Bruder Luis de Cruz, ein Experte in Mathematik und räumlicher Darstellung.
Die Fresken von „Nuestra Senora de Loreto“ in der Reduktion Santa Rosa sind bekannt als „Sixtinische Kapelle der Jesuitenreduktion“.
„Die Muttergottes trägt das Haar nach der Art, wie es die Frauen in den Reduktionen trugen und in den Chiquitosdörfern noch immer tragen. Auch das Kleid erinnert an die damalige Frauentracht. Die Plastik stammt aus einer Reduktion und verrät die Hand eines indianischen Künstlers, dem die Gebärden des Barock fremd waren. Der strenge Faltenwurf findet sich in den Sammlungen Paraguays öfters bei Statuen, die manchmal sehr unbeholfen wirken.“ (Felix Plattner)
Der Kampf des Erzengels Michael mit dem Teufel.
Statt als Drachen wird der Teufel immer als ,Bandeirante’ – als brasilianischer Sklaven- und Indianerjäger – dargestellt, den die Guaraní unter Führung der Jesuiten um 1640 endgültig besiegt hatten.
Der etwas unbeholfen geschnitzte Teufel hat negroide Züge, wohl als Anspielung an die brasilianischen Sklavenjäger.
Bei der Ausweisung der Jesuiten 1767 bildeten die zehn Dörfer der Chiquitomission eigenständige barocke Kulturoasen mitten im Herzen des Urwalds – wesentlich geprägt vom Kirchenbaumeister, Künstler und Musiker P. Martin Schmid.
Ihre geographische Ausdehnung entsprach etwa der doppelten Fläche der Schweiz. Etwa 25’000 Menschen lebten hier.Die Missionsdörfer von Chiquitos erlebten nach der Ausweisung der Jesuiten sogar eine zweite Blütezeit. Das von den Jesuiten eingeführte System erwies sich als stabil, die indigene Bevölkerung hielt an der neuen Religion, an den Kirchen, der Musik, den Prozessionen und den mündlich überlieferten Predigten bis heute fest.
Während die Arbeitskraft der Chiquitanos immer härter ausgebeutet wurde, gewannen sie nach und nach die kulturelle Kontrolle über die Kirchenfeste und die Bauten, die sie in mühsamer Fronarbeit unterhielten. Wo Martin Schmid SJ der künstlerischen Eigenständigkeit der Einwohner noch skeptisch gegenübver stand hatte, konnten sie sich nun freier entfalten. Ihre üppigen Wandmalereien beleben die strenge Hierarchie der Kirchenräume.
„Es ist doch bemerkenswert, dass von der eigentlich zivilisatorischen, technischen Entwicklungshilfe der Jesuiten praktisch nichts überlebt hat, ausser dieser Kultbau.
Die Staudämme sind zerfallen, die Viehzucht eingegangen, die Landwirtschaft auf einen kümmerlichen Maisanbau zurückgesunken, die Handwerke vernichtet, die Dörfer verlottert.
Aber das Erstaunliche ist, dass die Indianer selbstständig den „materiell nutzlosen“ Kultbau immer wieder unter schwersten Opfern an Zeit und Kräften erneuerten. Die Jesuitenstaudämme wurden nicht geflickt, aber dafür die Kirche!“
(Hans Roth)